Alfred Vasile Spisländer
Rumänien
Nino Deda
„Wie soll getanzt werden? Auf dem ganzen Platz!“
Jahrhundertelang haben fremde Herren der rumänischen Kultur die Existenzberechtigung streitig gemacht. In die Tänze aber hat sich diese Kultur kraftvoll und originell eingeschrieben.
Alunelul ist ein solcher Tanz. Im Westen Rumäniens kennt ihn jedes Kind. Auch Alfred Vasile Spisländer hat ihn dort gelernt. Als Kind von Banater Schwaben, der deutschsprachigen Minderheit in Rumänien, ist er mit den dortigen Volksgruppen groß geworden und in ihre Folklore hinein gewachsen. Heute, ein Vierteljahrhundert nach seiner Übersiedlung in den Westen, ist er Sprecher der rumänisch-orthodoxen Kirchengemeinde in Saarbrücken und begeisterter Chorleiter.
Damals in Rumänien hat fast jedes Kind ein Instrument gelernt. Er selbst hat zunächst Akkordeon, dann Trompete gespielt. Sein Bruder hat Saxophon gelernt. Mit so vielen Menschen, die ein Instrument beherrschten, war es keine Seltenheit, dass in einem Ort mit nur zweieinhalb tausend Einwohnern bis zu drei Musikkapellen existierten, in denen generationenübergreifend musiziert wurde. Heute geht diese Tradition zunehmend verloren. Die Volksmusik wird zu Discofolk. Schade, meint Vasile Spisländer.
Im Lied Alunelul wird für das Tanzen geworben. Schon die Kinder sollen erfahren, dass das Tanzen Balsam ist für Körper und Seele. „Auf, zum Tanz, dass er uns zum Glück gereiche! Wer die Hora tanzt, wird groß werden!“ Wie soll getanzt werden? Auf dem ganzen Platz! Die Rede ist von einem Reihen- oder Kreistanz, bei dem dreißig bis vierzig Menschen Hand in Hand auf dem Dorfplatz tanzen. Da ist kein Raum für weit ausgeführte Bewegungen, der Tanz entsteht vielmehr durch kleine, schnelle Fuß- und Körperbewegungen auf engem Raum. „Tanz, tanz, auf dem ganzen Platz, damit das Basilikum wächst!“ Warum das Basilikum? Der Basilikumstrauß fehlt bei keiner Taufe oder Hauseinweihung in Rumänien, und er dient im Gottesdienst zum Besprengen mit Weihwasser. Getrocknet wird er an einem Ehrenplatz aufbewahrt. Ja, es möge wachsen und gedeihen, das Basilikum!
Rumänisch ist eine romanische Sprache. Das merkt man vor allem an der Grammatik, die sehr an Latein erinnert. Aber auch beim Wortschatz kommt einem, wenn man Latein, Französisch oder Italienisch gelernt hat, manches bekannt vor. Einige Ausspracheregeln lassen sich ebenfalls von diesen Sprachen herleiten. Dennoch merkt man dem Rumänischen deutlich den Einfluss der umliegenden osteuropäischen Sprachen an. Im Lied Alunelul gibt es vor allem einen Vokal, auf dessen Aussprache man achten muss: das ă. Man darf es nämlich keinesfalls wie ein deutsches a aussprechen. Vielmehr entspricht das ă dem unbetonten Endungs-e des Deutschen, etwa in Tasse.
Alunelul ist, wie die Mehrzahl der rumänischen Volkslieder, im 2/4-Takt geschrieben. Es ist ein helles, lebendiges Lied und darf nicht melodramatisch klingen, betont Vasile Spislaender. Vielmehr soll es freudig, offen und impulsiv daher kommen. Der Funken muss überspringen. Zum Tanz – auf, auf!
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